Scheitern mit Ansage – Die ETCS-Migrationsstrategie der DB InfraGO ist am Ende

Am 12. Juni 2025 verkündete die DB InfraGO AG, dass sie ihre bisherige Strategie zur Digitalisierung der Schiene, insbesondere zur bundesweiten Ausrüstung mit ETCS (European Train Control System) zurückzieht und eine neue Strategie erarbeiten will. Für Michael Donth, Berichterstatter der Unionsfraktion für die Schiene, ist das ein seit langem vorbereitetes und absehbares Scheitern: „Mit der aktuellen DB-Vorstandsstrategie ‚Digitalisierung der Schiene ja – aber ineffizient, teuer und ohne Rücksicht auf die tatsächlichen verkehrs- und volkswirtschaftlichen Erfordernisse‘ zeigen die Vorstände erneut, dass sie langfristig nicht erfolgreich planen können“.

Weiter erklärt Michael Donth: „Das Vorgehen ist ehrlich gesagt skandalös. Denn entgegen der Darstellung der DB InfraGO war das Ergebnis der Marktkonsultation absehbar – und intern bereits vor Beginn des Prozesses entschieden. Die Verantwortung nun auf die Branche abzuladen, ist durchschaubar und manipulativ. Dazu passt: Die DB AG hat keine Bundeshaushaltsmittel für eine bundesweite Fahrzeugausrüstung angemeldet und bremst damit bewusst den ETCS-Rollout aus.

Die von der DB InfraGO präferierte Lösung – „Moderne“ Stellwerke mit konventionellen Lichtsignalen, die dann später für einen ETCS-Betrieb herausgerissen werden sollen – ist der denkbar teuerste und ineffizienteste Weg in die digitale Zukunft. Das vorgestellte Stufenkonzept ist volkswirtschaftlich unsinnig und schlicht unrealistisch. Das wissen auch die Verantwortlichen – allen voran der Vorstandsvorsitzender DB InfraGO und der Vorstand für Infrastruktur bei der DB AG.

Außerdem: Alle Untersuchungen – insbesondere die vom Bundesverkehrsministerium selbst beauftragten Studien wie jene von McKinsey – kommen zu einem klaren Schluss: Es braucht ein synchrones und koordiniertes Vorgehen bei der Ausrüstung von Fahrzeugen und Infrastruktur. Einzelmaßnahmen oder Pilotinseln reichen nicht aus. Sie verschlingen Geld, binden Personal und führen zu teuren Insellösungen, ohne die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems zu erhöhen.

Mehr denn je ist jetzt das Bundesverkehrsministerium gefordert. Nach dem Totalausfall der Ära Wissing muss deutlich gemacht werden, in welche Richtung die Digitalisierung des Schienenverkehrs in Deutschland gehen soll. Mit einem integrierten Systemansatz, echten zusätzlichen Kapazitätsgewinnen und klarer Priorität für den Rückbau alter Signaltechnik zugunsten einer volldigitalen Betriebsführung. Dazu gehört auch ein personeller Neuanfang. Wer Digitalisierung nur in bunten PowerPoint-Folien betreibt, aber strategisch weiter an überholten Strukturen festhält, ist nicht Teil der Lösung – sondern Teil des Problems. Die gezielte Irreführung gegenüber Öffentlichkeit, Fachwelt und Eigentümer muss endlich ein Ende haben“.

Zum Hintergrund

Die bisherige ETCS-Migrationsstrategie der DB InfraGO AG listet die bis 2029 geplanten ETCS-Inbetriebnahmen pro Jahr auf. Sie soll nicht mehr als Planungsgrundlage verwendet werden. Die bislang veröffentlichten Planungen für ETCS Level 2 ohne Signale (L2oS, ETCS only) werden vollständig zurückgenommen. Dazu passt, dass die DB entschieden hat, die linienförmige Zugbeeinflussung (LZB) 10 Jahre länger laufen zu lassen als bisher geplant – da ETCS absehbar nicht neuer Standard wird. Damit verabschiedet sich die DB InfraGO AG von den Möglichkeiten der digitalen Leistungssteigerung auf der Grundlage der Plattformen ETCS und „Digitalen Stellwerken“ (DSTW). Die DB InfraGO will mit ihrem Stufenkonzept einen anderen Weg einschlagen: Zunächst „Moderne“ Stellwerke mit konventionellen Lichtsignalen, dann Ausrüstung mit ETCS bei angeblichem Rückbau der Lichtsignale.